Gut zu wissen: Welche Rolle spielt Sport bei Diabetes

Wir klären auf, wie Diabetes und Sport zusammenhängen, worauf du achten solltest und welcher Sport geeignet ist.
Veröffentlicht 29. März 2022
Sportschuhe, Sportmatte, Hanteln und TrinkflascheSportschuhe, Sportmatte, Hanteln und Trinkflasche

Kann man mit Diabetes Sport machen?

Hier erstmal ein klares Ja! Bewegung und Sport stellen sowohl beim Typ-1-Diabetes als auch beim Typ-2-Diabetes wichtige Maßnahmen dar, um den allgemeinen Gesundheitszustand zu verbessern. So löst ein regelmäßiges körperliches Training die unterschiedlichsten Anpassungsprozesse aus, die allesamt helfen, körperlich und mental fit zu bleiben und vor allem typische Folgekrankheiten zu verhindern.

In diesem Artikel erfährst du, welche Anpassungsprozesse dies sind, wie viel Bewegung nötig ist, um von diesen Effekten profitieren zu können und worauf man je nach Diabetesform achten sollte.

Sport bei Typ-1-Diabetes

Sport bei Typ-2-Diabetes

Wichtig: Da Menschen mit Diabetes ganz unterschiedlich auf körperliche Belastungen reagieren, können die folgenden Informationen lediglich eine Orientierung darstellen und keinesfalls das Gespräch mit deinem Arzt oder eine Diabetes-Schulung ersetzen.

Sport bei Typ-1-Diabetes

Auch wenn körperliche Aktivität kein zentraler Bestandteil der Therapie ist, gehört Sport für viele Menschen mit einem Typ-1-Diabetes einfach zum Leben dazu. Und das nicht nur aus gesundheitlichen Gründen. Im Vordergrund stehen vielmehr der Spaß an bestimmten Sportarten, das Bedürfnis nach Fitness und Gemeinschaft sowie Stressabbau und Abschalten vom Arbeitsalltag.

Neben diesen eher mentalen und sozialen Motiven, spielen bei vielen Menschen mit Diabetes natürlich auch gesundheitliche Aspekte eine Rolle. Hier vor allem die Vermeidung von Folgeerkrankungen.

Vorteile von Sport bei Typ-1-Diabetes

  • Senkung des erhöhten Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Steigerung der kardiovaskulären Fitness (Ausdauerfähigkeit)
  • Verbesserung der muskulären Fitness (Kraftfähigkeit)
  • Senkung des Blutzucker-Langzeitwertes (HbA1c)
  • Steigerung der Insulinsensitivität
  • Reduzierung der benötigten Insulinmenge
  • Verbesserung der Blutfettwerte
  • Stressabbau, Steigerung des Wohlbefindens und antidepressive Wirkung
  • Verbesserung der Lebensqualität

Wie wirkt Sport bei Typ-1-Diabetes?

Normalerweise steuert das in der Bauchspeicheldrüse produzierte Hormon Insulin unseren Zuckerstoffwechsel. Typ-1-Diabetiker müssen Insulin jedoch von außen zuführen, da der Körper kein eigenes Insulin mehr ausschütten kann. Mit jeder zugeführten Dosis Insulin kommt es erstmal zu einem relativen Insulinüberschuss und die muskuläre Glukoseaufnahme wird gesteigert. Gleichzeitig wird jedoch die Glukoseausschüttung durch die Leber blockiert, wodurch es zu einem Abfall des Glukosespiegels im Blut kommt.

Dieser Prozess ist im Normalfall erwünscht. Wird eine Person mit Diabetes sportlich aktiv, besteht die Gefahr einer Unterzuckerung, weil die vermehrte Muskelarbeit zu einer insulinunabhängigen Zuckeraufnahme in den Zellen führt. Nach dem Sport müssen die leeren Zuckerspeicher in der Muskulatur und in der Leber wieder aufgefüllt werden, da noch nach Stunden der Blutzuckerspiegel sinken und eine Unterzuckerung hervorgerufen werden kann.

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Worauf sollte ich als Typ-1-Diabetiker beim Sport achten?

Jede körperliche Aktivität wirkt auf den Zuckerstoffwechsel. Denn je nach Dauer und Intensität der Belastung kann es beim Sport zu sogenannten Stoffwechselentgleisungen kommen.

Aus diesem Grund ist es unabdingbar, Bewegung und Sport im Vorfeld gut zu planen und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.

Um einer Unterzuckerung vorzubeugen, sind drei Varianten möglich:

  1. Die Insulinzufuhr zu reduzieren,
  2. Kohlenhydrate zuzuführen
  3. oder eine Kombination aus beidem.

Zudem sind engmaschige Blutzuckermessungen wichtig. Dies gilt vor allem für Sporteinsteiger, die noch wenig Erfahrungen mit den eigenen Blutzuckerantworten auf sportliche Belastungen haben.

Hier ein paar hilfreiche Basis-Tipps für das Training

Vor dem Sport

  • Vor dem Sport sollte dein Blutzucker < 250mg/dl bzw. 13,9mmol/l liegen, bestenfalls zwischen 120 und 180md/dl bzw. 7,0 – 10,0mmol/l.
  • Bei Blutzuckerwerten >250mg/dl bzw. 13,9mmol/l und zusätzlichem Ketonnachweis im Urin bitte keinen Sport treiben.
  • Bei Werten < 90mg/dl bzw. 5mmol/l noch nicht starten, weil hier die Gefahr einer Unterzuckerung droht. Jetzt erstmal Kohlenhydrate zuführen, wie z.B. Bananen und abwarten, bis sich der Blutzuckerwert entsprechend erhöht hat.

Während des Sports

  • Insbesondere bei längerer Dauer oder bei besonderen Bedingungen wie Kälte, Hitze oder Höhe häufigere Pausen einlegen, um den Blutzucker zu messen. Dies gilt vor allem dann, wenn du noch nicht so viel Erfahrung hast oder längere Zeit nicht aktiv warst.
  • Halte immer ein Stückchen Traubenzucker bereit, falls du Anzeichen einer Unterzuckerung bemerkst.

Nach dem Sport

  • Behalte deinen Blutzuckerwert weiter im Auge! Je nach Belastungsart, Dauer und Intensität kann es zeitverzögert noch Stunden später zu Unterzuckerungen kommen (Muskelauffülleffekt).
  • Zum Abendessen sind daher langsam ins Blut gehende Kohlenhydrate empfehlenswert, um einer nächtlichen Unterzuckerung vorzubeugen.

Mehr zu Ernährung bei Diabetes erfährst du hier.

Was tun bei einer Unterzuckerung?

Diabetiker sollten unbedingt ein kleines Notfall-Set parat haben, in dem sich schnell verfügbare Kohlenhydrate befinden. Zum Beispiel Traubenzucker, Softdrinks, Gukosegels oder süßer Saft. Trainingspartner bzw. Trainer sollten Bescheid wissen und im Falle einer Unterzuckerung entsprechend handeln können.

Kann Sport den Blutzucker erhöhen?

Bei manchen Sportlern führen bestimmte Trainingsformen, wie intensives Krafttraining oder Sprints zu einem Anstieg des Blutzuckerspiegels (Hyperglykämie). Auch Wettkampfsituationen können dieses Phänomen auslösen. Grund hierfür ist die Ausschüttung von Stresshormonen wie z.B. Adrenalin, das die Leber zur Produktion von Glukose stimuliert.

Wertvoll: ein Sporttagebuch

Da jeder Mensch auf körperliche Belastungen höchst individuell reagiert, ist es hilfreich, ein Bewegungs-Tagebuch zu führen. Hier werden u.a. Blutzuckerwerte, Insulindosen, Kohlenhydrataufnahmen und Bewegungsumfänge mit Tageszeiten dokumentiert.

So kann man als Diabetiker den eigenen Stoffwechsel besser kennenlernen und sich beim Sport zunehmend sicherer fühlen. Gerade am Anfang sollte dies sorgfältig erfolgen. Auf dieser Basis kannst du dann auch gemeinsam mit dem Arzt eine präzise Abstimmung der notwendigen Anpassungen abklären.

Welcher Sport ist für Diabetiker geeignet?

Grundsätzlich können Diabetiker alle Sportarten durchführen, vom Freizeit- bis zum Leistungssport, da es den Diabetiker-Sport nicht gibt. Immer jedoch unter der Voraussetzung einer guten Planung.

Allerdings gibt es Sportarten, bei denen es extrem gefährlich werden kann, wenn z.B. eine durch Unterzuckerung hervorgerufene Bewusstseinstrübung eintritt. Hierzu zählen Risikosportarten wie Tauchen, Drachenfliegen, Fallschirmspringen, Extrem-Klettern oder Skitouren in extremer Höhe. Bei diesen Sportarten bedarf es langjähriger Erfahrung und perfekte Kenntnisse über das persönliche Blutzuckerverhalten.

Tipp: Für Einsteiger bietet die Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Sport der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) im Internet eine Übersicht von Diabetes-Sportgruppen.

Sport bei bestehenden Folgeerkrankungen

Wer bereits durch Diabetes bedingte Folgeerkrankungen beeinträchtigt ist und mit dem Sport beginnen oder wieder loslegen möchte, sollte vorher unbedingt eine sorgfältige Untersuchung beim Arzt durchführen lassen. So können Risiken abgeklärt und Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden.

Menschen mit einer diabetischen Augenerkrankung sollten z.B. Sportarten, die eine Druckerhöhung im Auge bedingen, wie Tauchen, vermeiden. Bei einer Nervenschädigung der Füße sollte man dagegen sehr vorsichtig bei trittlastigen Sportarten wie Wandern, Tanzen oder Joggen sein. Regelmäßige Untersuchungen der Füße sind hier genauso wichtig wie entsprechendes Schuhwerk.

Sport bei Typ-2-Diabetes

Menschen mit einem Typ-2-Diabetes haben eine gestörte Insulinsensitivität (auch periphere Insulinresistenz genannt), die häufig von einer verminderten Insulinausschüttung der Bauchspeicheldrüse begleitet wird.

Bewegung und Sport können nicht nur einen wichtigen Beitrag leisten, um einen Typ-2-Diabetes aktiv vorzubeugen, sondern sind auch bei bestehendem Krankheitsbild ein wesentlicher Bestandteil der Therapie. In erster Linie deshalb, weil durch körperliches Training die Empfindlichkeit der Zellen dem Insulin gegenüber verbessert wird. Folglich kann wieder mehr Zucker aus dem Blut in die Zellen gelangen und der Blutzuckerspiegel gesenkt werden.

Die positiven Effekte eines Trainings auf den muskulären Glukosetransport sind schon nach 20-30 Minuten zu beobachten.

Diese halten allerdings nur wenige Tage an, weshalb maximal zwei aufeinanderfolgende Tage ohne körperliche Aktivität sein sollten. Doch nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig kann der Blutzucker positiv beeinflusst werden, was sich im verbesserten Langzeitzuckerwert (HbA1c) zeigt.

Eine moderate Gewichtsabnahme ist häufig das oberste Behandlungsziel beim Typ-2-Diabetes. Auch hier können Bewegung und Sport bestens unterstützen. Hinzu kommt, dass sowohl eine Gewichtsabnahme als auch ein körperliches Training den Blutdruck senken können, wodurch wiederum typische Folgeerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems verhindert werden können.

Mehr zur Diabetesprävention

Nicht zuletzt verbessern Bewegung und Sport die Laune, steigern das Wohlbefinden und wirken gegen depressive Verstimmungen. Addiert man die körperlichen mit den psychischen Effekten, wird schnell klar, warum Menschen mit Typ-2-Diabetes in puncto Bewegung immer wieder von einer massiven Steigerung der Lebensqualität sprechen. Insbesondere dann, wenn sie vorher Bewegung und Sport eher aus dem Weg gegangen sind.

Vorteile von Bewegung und Sport bei Typ-2-Diabetes

  • Steigerung der Insulinempfindlichkeit der Zellen
  • Zunahme an muskulären Insulinrezeptoren
  • Senkung des Blutzuckers
  • Senkung des Langzeitblutzuckerwertes (HbA1c)
  • Reduzierung des erhöhten Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Verbesserung des Fettstoffwechsels
  • Senkung des Blutdrucks
  • Unterstützung der Gewichtsreduktion
  • Verbesserung der Fitness (Ausdauer- + Kraftfähigkeit)
  • Steigerung des Wohlbefindens, Reduzierung von Stress und antidepressive Wirkung
  • Steigerung der Lebensqualität

Tschüss Typ-2-Diabetes!

Im Gegensatz zum Typ-1-Diabetes ist es bei einer konsequenten Änderung der Lebensgewohnheiten möglich, selbst einen insulinpflichtigen Typ-2-Diabetes wieder rückgängig zu machen. Das heißt, die Blutzuckerwerte können sich wieder normalisieren, die Medikation kann reduziert oder nicht selten komplett abgesetzt werden.

Welches Training bei Typ-2-Diabetes?

Grundsätzlich wird eine Kombination aus Ausdauer- und Kraftsportarten empfohlen. Anfänger und Wiedereinsteiger sollten gemütlich starten, wobei zu Beginn selbst die Steigerung von Alltagsaktivitäten effektiv ist. Je nach persönlichem Trainingszustand kann dann langsam aber kontinuierlich das Pensum gesteigert werden. Am Anfang ist insbesondere die Regelmäßigkeit wichtig, also lieber ein tägliches Mini-Training von 10 Minuten als eine einmalige längere Belastung am Wochenende.

Als mittel- und langfristiges Ziel können die allgemeinen Bewegungs-Empfehlungen für Erwachsene mit Typ-2-Diabetes genommen werden – gemäß Weltgesundheitsorganisation (WHO) und American Diabetes Association (ADA).

Bewegungs-Empfehlungen für Erwachsene mit Typ-2-Diabetes

  • Mindestens 150 bis 300 Minuten moderate Ausdauertätigkeiten pro Woche

oder

  • mindestens 75 bis 150 Minuten pro Woche intensive Ausdauertätigkeiten

oder

  • eine entsprechende Kombination von moderater und intensiver Intensität

an mindestens 2 Tagen pro Woche ein Krafttraining der Hauptmuskelgruppen von mindestens moderater Intensität. Außerdem sollten Sitzzeiten reduziert und regelmäßig unterbrochen (alle 30 Minuten) werden. Außerdem werden maximal 2 aufeinander folgende, bewegungsarme Tage empfohlen.

Menschen in der zweiten Lebenshälfte wird ein zusätzliches Training der Beweglichkeit und Koordination (inkl. Gleichgewichtstraining) an 3 Tagen der Woche empfohlen.

Sofern keine körperlichen Beeinträchtigungen vorliegen, darf gerne noch eine Schippe draufgelegt werden. Die Fachgesellschaften empfehlen bei entsprechender Fitness die Ausdaueraktivitäten weiter zu steigern: Also mehr als 300 Minuten moderat oder mehr als 150 Minuten intensiv trainieren (oder eine entsprechende Kombination). So können zusätzliche gesundheitliche Effekte erzielt werden.

Welche Sportarten sind bei Typ-2-Diabetes geeignet?

Grundsätzlich ist jede Bewegung sinnvoll. Auch hier gibt es nicht den Diabetiker-Sport.

  • Als Ausdauersportarten sind Walken, Wandern, Schwimmen oder Radfahren geeignet.
  • Kraftbetont sind dagegen z.B. ein klassisches Muskeltraining an Geräten oder ein Workout mit dem eigenen Körpergewicht oder Kleingeräten wie Hanteln oder Fitnessbänder.

Kombinierte Ausdauer- und Kraft-Workouts sind ebenfalls eine gute Sache. Und wenn du noch deine Beweglichkeit und Koordination trainieren möchtest, sind Pilates, Yoga, QiGong oder Tai Chi eine super Sache.

Sport bei insulinpflichtigem Typ-2-Diabetes

Körperliche Aktivität senkt den Bedarf an Insulin in den Körperzellen. Jeder insulinpflichtige Diabetiker muss daher Bewegung und Sport gut planen und die Insulindosis und/oder die Kohlenhydratzufuhr entsprechend anpassen. So können Entgleisungen des Blutzuckers vermieden werden.

Im Vergleich zum Typ-1-Diabetes ist das Risiko für eine durch körperliche Belastung hervorgerufene Unterzuckerung jedoch geringer. Dennoch können auch hier Blutzuckerabfälle auftreten, wenn nicht Kohlenhydratzufuhr und/oder Insulinzufuhr angepasst werden. Und da beim Typ-2-Diabetes Bewegung und Sport häufig der Unterstützung einer Gewichtsabnahme dienen, ist es in diesem Fall sinnvoller, die Insulindosis zu verringern.

Ansonsten gelten beim insulinpflichtigen Typ-2-Diabetes die gleichen Vorsichtsmaßnahmen wie beim Typ-1-Diabetes.

Wichtig für alle Menschen mit Diabetes: der Gesundheitscheck beim Arzt

Durch eine gründliche Untersuchung kann die individuelle Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit sorgfältig abgeklärt werden. Gemeinsam mit deinem Arzt können mögliche Risiken besprochen werden und geeignete Bewegungsformen und Sportarten ausgewählt werden.