Was ist der Unterschied zwischen Übergewicht und Adipositas?

Veröffentlicht 23. Mai 2023
Frau in Unterwäsche misst ihren Bauchumfang.Frau in Unterwäsche misst ihren Bauchumfang.

Übergewicht und Adipositas sind nicht das Gleiche und haben unterschiedliche Folgen für die Gesundheit. Aber kann es sein, dass wir bei beiden eine falsche Messmethode zugrunde legen? Möglicherweise.

Die Begriffe Übergewicht und Adipositas werden zwar mitunter gleichgesetzt, unterscheiden sich aber in ihren Definitionen, auch wenn beiden die zunehmend kontrovers diskutierte Klassifizierung nach dem Body-Mass-Index (BMI) zugrunde liegt. Die Diagnose Übergewicht oder Adipositas kann zwar ein Indikator für die Gesundheit sein, sagt aber für sich allein genommen nicht allzu viel aus. Im Folgenden erfährst du alles, was du wissen solltest, um so gut wie möglich auf dich achtgeben zu können.

Was ist Übergewicht?

Übergewicht wird definiert als eine übermäßige Menge an Körperfett und betrifft schätzungsweise rund 54 % aller Erwachsenen in Deutschland. Dabei sind rund 61 % der Männer und ca. 47 % der Frauen übergewichtig. Ob Übergewicht vorliegt, wird anhand des BMI bestimmt, obwohl der BMI gar nicht den Anteil an Körperfett misst, sondern sich aus dem Körpergewicht im Verhältnis zur Körpergröße errechnet (du kannst deinen BMI ganz einfach mit einem BMI-Rechner bestimmen).

Es kann auch vorkommen, dass ein erhöhter BMI weder auf Übergewicht noch auf Adipositas hinweist (beispielsweise bei Spitzensportlern, die aufgrund ihrer größeren Muskelmasse einen höheren BMI haben). Das liegt daran, dass die BMI-Methode zur Risikobestimmung auf Bevölkerungs- und nicht auf individueller Ebene entwickelt wurde. Dafür hat der BMI aber den Vorteil, dass er sich leicht bestimmen lässt und seine Anwendung damit im Vergleich zu anderen Messmethoden für Körperfett – wie zum Beispiel der Zwei-Spektren-Röntgenabsorptiometrie (DXA) oder dem Unterwasserwiegen – einfacher ist (stell dir nur einmal vor, dein Arzt würde dir bei deinem nächsten Check-up Letzteres vorschlagen).

Als gesund gilt ein BMI zwischen 18,5 und 24,9. Liegt der BMI zwischen 25 und 29,9, spricht man von Übergewicht oder Präadipositas. Letzteres liegt also zum Beispiel vor, wenn das Körpergewicht bei einer Körpergröße von 167 cm zwischen 70 und 84 Kilogramm liegt.

Body-Mass-Index

Normalgewicht

Unter 18,5

Normalgewicht

18,5–24,9

Übergewicht

25–29,9

Adipositas

30 und mehr

Was ist Adipositas?

Ebenso wie Übergewicht wird Adipositas als eine über das Normalmaß hinausgehende Menge an Körperfett definiert. Die Berechnungsgrundlage ist auch hier in der Regel der BMI. Wer einen BMI von 30 oder mehr erreicht, gilt als adipös. In Deutschland ist das bei rund 19 Prozent der Erwachsenen der Fall. Adipositas ist eine Steigerung des Übergewichts und wird sowohl von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als auch von der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG) als chronische Krankheit anerkannt. „Diese Klassifizierung ist durchaus von Bedeutung“, sagt Dr. Alexandra Lee, Leiterin des Bereichs klinische Forschung bei WeightWatchers.

„Wenn sich etwas auf die normalen Funktionsweisen unseres Körpers auswirkt – sei es nur auf winzige Zellen oder auf größere Systeme – dann wird es als Krankheit eingestuft, und Adipositas kann zu einer ganzen Reihe von Anomalien führen, wie zum Beispiel zu Insulinresistenz oder Unfruchtbarkeit“, so Lee.

"[Adipositas] ist ein anormaler physiologischer Prozess. Wir würden ja auch nie jemandem, der unter Asthma leidet, die Schuld dafür geben, dass seine Lungen nicht richtig funktionieren."— Dr. Alexandra Lee

Abgesehen von der Tatsache, dass Adipositas die medizinischen Kriterien für die Einstufung als Krankheit erfüllt, ist diese Klassifizierung auch deswegen wichtig, weil sie es sowohl Patienten als auch medizinischen Fachkräften erleichtert, sich für eine angemessene Behandlung einzusetzen. „Es handelt sich um einen anormalen physiologischen Prozess“, erklärt Lee. „Wir würden ja auch nie jemandem, der unter Asthma leidet, die Schuld dafür geben, dass seine Lungen nicht richtig funktionieren.“

Um den Ärzten zu helfen, die gesundheitlichen Risiken zu bestimmen und angemessene Behandlungsmöglichkeiten festzulegen, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Klassifizierung eingeführt, die 3 Schweregrade der Adipositas unterscheidet. Je höher der Grad, desto größer ist für die meisten betroffenen Menschen die Wahrscheinlichkeit, dass die Adipositas zu gesundheitlichen Komplikationen führt:

  1. Adipositas Grad I: BMI von 30 bis < 35
  2. Adipositas Grad II: BMI von 35 bis < 40
  3. Adipositas Grad III oder schwere Adipositas: BMI von 40 und höher

Die Grenzen des Body-Mass-Index

Immer mehr Ärzte und medizinische Fachkräfte nehmen derzeit Abstand von der Verwendung des BMI. „Bei der Risikobeurteilung auf Bevölkerungsebene ist der BMI eine Hilfe, aber auf individueller Ebene ist er nur begrenzt von Nutzen“, so Lee. „Das liegt daran, dass er eine ganze Reihe von Faktoren außer Acht lässt, die sich auch auf die Gesundheit und das Gewicht eines Menschen auswirken.“

Zwar bestehen im Zusammenhang mit Übergewicht oder Adipositas bestimmte Gesundheitsrisiken, aber einen BMI zu haben, demzufolge du zu der einen oder anderen Kategorie zählst, sollte kein endgültiges Urteil über deine gesundheitliche Verfassung darstellen. Vielmehr sollte ein solcher Wert den Anstoß zu einem ausführlichen Gespräch mit deinem Arzt geben.

Die Liste der Aspekte, über die der BMI keinen Aufschluss gibt, ist lang. So gibt er weder an, ob sich dein Fett vor allem im Bauchbereich befindet (wo es am ehesten zu Folgeerkrankungen von Adipositas führt), noch berücksichtigt er, ob du zum Beispiel jeden Morgen einen Spaziergang machst, nachts gut schläfst oder dein Vater unter Bluthochdruck leidet und du diese Veranlagung möglicherweise geerbt hast. Und es gibt noch unzählige andere Faktoren, die der BMI nicht miteinbezieht.

„Dass die Grenzwerte ein wenig willkürlich wirken, liegt daran, dass sie es auch sind“, sagt Dr. Steven B. Heymsfield, Experte für Adipositas und Professor am Pennington Biomedical Research Center in Baton Rouge. Wenn dein Wert beispielsweise von 25 auf 25,1 steigt, bedeutet das nicht, dass sich deine Gesundheit plötzlich enorm verschlechtert hat.

„Insgesamt ist die Prämisse, Menschen auf diese Weise definieren zu wollen, mit zahlreichen Unwägbarkeiten, Ungenauigkeiten und Einschränkungen verbunden, die sowohl bei Patienten als auch bei Gesundheitsfachkräften zu viel Verwirrung sowie zu Stigmatisierung und emotionaler Belastung führen“, erklärt Dr. Robert F. Kushner, Professor für Endokrinologie und medizinische Bildung an der Northwestern University Feinberg School of Medicine in Chicago. „Das ist einer der Gründe dafür, dass Adipositas-Forscher gegenwärtig an Diagnosekriterien arbeiten, die über den BMI hinausgehen und sich auf konkrete Gesundheitsindikatoren stützen“, erklärt Alexandra Lee.

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Gesundheitliche Risiken von Übergewicht

Übergewicht (Präadipositas) kann gesundheitliche Risiken mit sich bringen. Eine dänische Studie aus dem Jahr 2016, die mehr als 100.000 Erwachsene einschloss, kam beispielsweise zu dem Ergebnis, dass das Sterberisiko ab einem BMI von 27 steigt, also ab einem Wert, der eindeutig in die Kategorie Übergewicht fällt.

Eine andere, 2022 mit mehr als 30.000 Erwachsenen im Alter von etwa 40 Jahren durchgeführte Studie kam zu dem Schluss, dass übergewichtige Menschen im Vergleich zu Menschen, deren BMI im gesunden Bereich liegt, im Alter ein größeres Risiko für Herzerkrankungen haben.

Zudem stellten die Forscher fest, dass Menschen mit Übergewicht mit höherer Wahrscheinlichkeit einen großen Teil ihres Lebens mit Krankheiten leben. Das belegt auch eine groß angelegte Studie, der zufolge ein BMI über dem als gesund definierten Bereich mit Herzerkrankungen, Herzversagen, Diabetes und Bluthochdruck in Verbindung steht.

Gesundheitliche Risiken von Adipositas

Hier sind die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse eindeutig: Adipositas steht im Zusammenhang mit vielen gefährlichen Erkrankungen. Das zusätzliche Fett (adipöses Fett) erschwert dem Organismus die Regulierung des Blutzuckers und führt zu Entzündungsreaktionen im ganzen Körper, die wiederum ernsthafte Gesundheitsprobleme – darunter mehr als 200 mit Adipositas in Verbindung stehende Erkrankungen – verursachen können. Wenn der BMI und der Körperfettanteil mit der Adipositas-Erkrankung steigen, erhöht sich das Risiko für diese Krankheiten entsprechend.

Hier nur ein paar der mit Adipositas im Zusammenhang stehenden Krankheiten:

  • Bestimmte Krebsarten
  • Depressionen und Angststörungen
  • Fettleber
  • Gallensteine und andere Gallenblasenerkrankungen
  • Herzerkrankungen
  • Bluthochdruck
  • Hohe Cholesterinwerte
  • Osteoarthritis
  • Schlafapnoe
  • Schlaganfälle
  • Diabetes Typ 2
  • Behandlung von Übergewicht und Adipositas

„Wenn dein [Arzt] bei dir Übergewicht oder Adipositas feststellt, besteht der nächste Schritt darin zu sehen, wie es um deine Gesundheit bestellt ist“, so Dr. Heymsfield. Dazu werden Blutdruck, Cholesterinwerte und ggf. Blutzuckerwerte untersucht, und es wird geprüft, inwieweit dein Gewicht dein tägliches Leben beeinträchtigt.

Wahrscheinlich werden auch andere mitbestimmende Faktoren berücksichtigt, wie zum Beispiel:

  • Genetische Veranlagung
  • Ernährungsgewohnheiten
  • Stress
  • Körperliche Aktivität
  • Medikamente
  • Schlaf
  • Vorerkrankungen in der Familie
  • Soziale Faktoren wie Ernährungsunsicherheit
  • Andere gesundheitliche Probleme

Wenn es Warnsignale dafür gibt, dass dein Gewicht ernst zu nehmende Auswirkungen auf deine Gesundheit hat, empfiehlt dein Arzt dir möglicherweise eine Gewichtsabnahme, die nachweislich bereits in geringem Maße große Auswirkungen haben kann. Wenn du mit Präadipositas oder Adipositas lebst, kann es z. B. ausreichend sein, 5 % des Ausgangsgewichts abzunehmen, um die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass aus Prädiabetes ein manifester Diabetes wird.

Wenn du gemeinsam mit deinem Arzt beschlossen hast, dass eine Behandlung der Adipositas dir gesundheitlich zugutekäme, ist es an der Zeit, über den für dich geeigneten Ansatz nachzudenken. Dr. Kushner zufolge gibt es derzeit 3 wissenschaftlich belegte Möglichkeiten, Adipositas zu behandeln:

  • Veränderungen der Lebensgewohnheiten: „Hierbei geht es um grundlegende Dinge, also darum, wie du dich ernährst, dich bewegst, Stress bewältigst, soziale Kontakte pflegst und schläfst und wie du mit Alkohol und Tabak umgehst“, erklärt Dr. Kushner. Diesbezügliche Strategien zur Verhaltensänderung stehen im Mittelpunkt von Programmen wie dem WeightWatchers Abnehmprogramm, und für manche Menschen führen sie bereit
  • Verschreibungspflichtige Adipositas-Medikamente: Verschreibungspflichtige Medikamente wirken sich auf das Gehirn und bestimmte Hormone aus, die bedingt durch die Adipositas nicht richtig funktionieren. Medikamente zur Behandlung von Adipositas und zur Unterstützung einer Gewichtsabnahme sind allerdings nicht für Menschen geeignet, die nur ein wenig übergewichtig sind und bei denen keine gesundheitlichen Risiken zu befürchten sind. Dein Arzt kann dir solche Medikamente verschreiben, wenn dein BMI mindestens bei 30 liegt, unabhängig davon, ob du andere gesundheitliche Probleme hast oder nicht. Ebenso ist es möglich, dass ein Adipositas-Medikament bei einem BMI von 27 verschrieben wird, wenn Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck oder Typ-2-Diabetes dies erforderlich machen. Medikamente bieten allerdings ebenso wenig wie eine veränderte Lebensweise einen schnellen Weg zum Erfolg. Um nachhaltig etwas zu verändern und die Gesundheit zu verbessern, sollten sie grundsätzlich Hand in Hand mit den oben genannten gesunden Lebensgewohnheiten gehen.

  • Adipositaschirurgie: Chirurgische Eingriffe zur Gewichtsreduktion wirken sich auf das Verdauungssystem aus und bewirken dadurch eine Veränderung bei den an der Gewichtsregulierung beteiligten Hormonen. In manchen Fällen wird außerdem der Magen verkleinert. Eingriffe dieser Art sind für Menschen eine Option, die entweder unter schwerer Adipositas (mit einem BMI von 40 oder mehr) oder an Adipositas mit bestimmten, einen Eingriff rechtfertigenden Begleiterkrankungen leiden, wie zum Beispiel Typ-2-Diabetes Auch hier ist eine Änderung der Lebensgewohnheiten erforderlich, um den gewünschten Erfolg zu erzielen.

Fazit

Die Klassifizierung von Übergewicht und Adipositas beruht häufig auf BMI-Werten, die besser nur als Anhalts- bzw. Ausgangspunkt für ein ausführlicheres Gespräch mit deinem Arzt dienen sollten. Zusammen könnt ihr dann besprechen, ob eine Behandlung der Adipositas durch eine Gewichtsreduktion dir gesundheitlich zugutekäme und, wenn ja, wie du vorgehen solltest, um eine solche Gewichtsabnahme auf gesunde Weise zu erreichen. Im Mittelpunkt sollte dabei die Frage stehen, welche Behandlungsmöglichkeit für dich – unter Berücksichtigung deiner Gesundheit, Lebensgewohnheiten, Möglichkeiten und Ziele – am besten geeignet ist.