Bitte nicht sitzen bleiben
Wenn du schätzen müsstest, wie viele Stunden des Tages verbringst du sitzend? Vier Stunden? Sechs Stunden? Der 2018 Physical Activity Guidelines Advisory Committee Scientific Report besagt, dass Erwachsene und Kinder in den USA zwischen 8 und 13 Stunden pro Tag sitzen. Amerikaner sitzen zu lange, zu oft, und das beeinträchtigt die Gesundheit.
In den letzten 10 Jahren haben Forscher festgestellt, dass das viele Sitzen physiologische Veränderungen hervorruft, die unser Risiko auf akute und chronische Krankheiten – wie Typ-2-Diabetes und Herzerkrankungen – sowie das Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben, und die Gesamtmortalität erhöhen. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass das Sitzen das Risiko auf Endometrium-, Darm- und Lungenkrebs steigert.
„Die meisten negativen Auswirkungen des Sitzens auf die Gesundheit treten auf, wenn Menschen über einen längeren Zeitraum sitzen und nicht aufstehen und sich bewegen“, sagt Dr. William Haskell, emeritierter Professor am Stanford Prevention Research Center und an der Abteilung für kardiovaskuläre Medizin der Stanford University School of Medicine. Haskell half beim Schreiben der neuen Richtlinien, die eine detaillierte Analyse der gesundheitlichen Auswirkungen von sitzenden Verhaltensweisen beinhalten.
Die Gesundheitsrisiken von langem Sitzen
Zu den von Haskell festgestellten Erkrankungen gehören:
- Tiefe Venenthrombose (TVT): Kurz gesagt: Zu langes Sitzen steigert das Risiko, dass sich Blutgerinnsel, meistens in den Beinen, bilden. Diese Gerinnsel können sich lösen und in die Lunge wandern, wo sie eine potenziell tödliche Krankheit auslösen können, die als Lungenembolie bekannt ist.
- Wenn wir gesund sind, verfügt unser Blut in der Regel über Anti-Blutgerinnungsfaktoren. Das Sitzen verringert diese Faktoren und hemmt andere Faktoren, die bei der Auflösung von Blutgerinnseln helfen. „Körperlich aktivere Menschen haben bei diesen Gerinnungshemmern ein besseres Blutbild als Menschen, die viel sitzen“, erklärt Haskell. Obwohl jeder Gefahr läuft, bei langem Sitzen eine TVT zu erleiden, ist das Risiko weiter erhöht, wenn man älter ist, schon eine TVT hatte oder einen inaktiven Lebensstil pflegt.
- Durchblutungsstörungen: Langes Sitzen führt dazu, dass unser Gefässsystem härter arbeiten muss, damit das Blut durch unseren Körper und wieder zurück zum Herzen fliesst. Die Folge kann ein erhöhter Blutdruck sein. „Wenn Sie mit gebeugten Beinen auf einem Stuhl sitzen, ist es für Ihr Blut schwieriger, frei zu fliessen“, sagt Dr. Bethany Barone Gibbs, Herz-Kreislauf-Forscherin und Assistenzprofessorin am Institut für Gesundheit und körperliche Aktivität sowie für klinische und Translationswissenschaft an der University of Pittsburgh.
- Verlangsamter Glukoseabbau „Wenn wir nur sitzen und uns nicht bewegen, steigt unser Blutzuckerspiegel mehr an, was zu Gefässschäden führen kann, die langfristig zu Diabetes und Herzerkrankungen führen“, sagt Gibbs. Längeres Sitzen über mehrere Zeiträume am Tag verstärkt die Wirkung.
- Starke Schmerzen im unteren Rückenbereich: Gibbs’ eigene Forschung zeigt, dass bei Büroangestellten zu langes Sitzen zu chronischen Schmerzen im unteren Rückenbereich führt. Die Hüftbeugemuskeln, die deine Oberschenkel, Hüften und den unteren Rücken verbinden, verkürzen sich durch langes Sitzen. Wenn du dann wieder stehst, verursachen die gespannten Muskeln Schmerzen, erklärt Gibbs.
Langes Sitzen schadet immer der allgemeinen Gesundheit, besonders schädlich ist es aber für Menschen mit kardiometabolischen Risikofaktoren wie Prädiabetes, Diabetes oder Herzerkrankungen. Aber Menschen mit diesen Risikofaktoren sind nicht die einzigen, die durch langes Sitzen betroffen sind: Jeder ist gefährdet, wenn er oder sie einen inaktiven Lebensstil führt, erhöhten Blutdruck, erhöhte Cholesterin- oder Triglyceridewerte oder einen erhöhten Insulinspiegel hat oder übergewichtig ist. „Besonders Menschen, bei denen mehrere der genannten Dinge zusammenkommen, würden davon profitieren, weniger zu sitzen“, sagt Haskell.
Die besten Methoden, Sitzgewohnheiten zu durchbrechen
Sitzgewohnheiten zu durchbrechen vermindert das Risiko, an einer dieser ernsten Erkrankungen zu erkranken. Aber Stehen ist nicht die Antwort, weil man damit von einer statischen Haltung in eine andere wechselt.
„Es sind noch nicht alle Fragen dazu geklärt, ob das einfache Stehen am Schreibtisch wirklich Vorteile für die Gesundheit bietet“, sagt Haskell. Wenn es um die Gesundheit von Muskeln und Herz geht, kann Aufstehen und Bewegung besser sein, als einfach nur zu stehen.
„Beim Stehen werden einige Muskeln beansprucht, die den Körper hierbei unterstützen. Es wurde jedoch bei Tieren und Menschen nachgewiesen, dass wichtige Enzyme in Skelettmuskeln mehr werden, wenn die Muskeln beansprucht werden“, sagt Haskell. Er fügt hinzu, dass eine einzige Einheit Aerobic die Enzyme Lipoproteinlipase und Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase steigert, die positiven Einfluss auf das Blut-Cholesterin haben, einschliesslich der Reduzierung des Gesamtcholesterins, der Triglyceridewerte und LDL-C (Low-density Lipoprotein oder „böses“ Cholesterin) und der Steigerung von HDL-C (High-density Lipoprotein oder „gutes“ Cholesterin).
Langes Stehen birgt eigene Gesundheitsrisiken. Frühere Studien an Fabrikarbeitern haben gezeigt, dass langes Stehen zu Rückenschmerzen und anderen Gesundheitsrisiken führt, sagt Gibbs.
„Längeres Sitzen und langes Stehen sind wahrscheinlich beide schädlich, und es geht wirklich um die Fähigkeit, die Gewohnheit zu durchbrechen und alternative Haltungen einzunehmen“, sagt Dr. Matt Buman, der sich mit Massnahmen bei Sitzgewohnheiten beschäftigt. Um den anfänglichen Muskelkater zu vermeiden, der mit der Unterbrechung eines sitzenden Lebensstils einhergeht, empfiehlt Buman, längere Standzeiten langsam aufzubauen. „Wir haben festgestellt, dass Menschen, die diese Aktivitäten langsam angehen, auf lange Sicht erfolgreicher sind“, sagt er.
Richtiges Stehen ...
Aufstehen ist nur der erste Schritt. Um einen dauerhaften Einfluss auf die Umkehrung der Schäden durch zu langes Sitzen zu erzielen, muss man die tägliche Sitzzeit um mindestens zwei Stunden reduzieren, sagt Haskell. Buman empfiehlt sogar, die tägliche Sitzzeit zu halbieren.
Forscher versuchen noch, präzise festzustellen, welche Sitzzeit noch „sicher“ ist, und wie lange die Pausen dauern müssen, um etwas zu bewirken. Für den Augenblick helfen diese Richtlinien: Nimm dir vor, alle 30 Minuten für zwei bis fünf Minuten aufzustehen und dich zu bewegen. Wenn nötig kann dieses Intervall auf eine Stunde ausgedehnt werden. „Jedes Mal, wenn du eine Pause machst, schaltest du deinen Körper in gewisser Weise wieder ein, nachdem er beim zu langen Sitzen quasi abgeschaltet war“, sagt Gibbs. Hier kommen einige weitere Vorschläge von den Experten, wie du deine Sitzgewohnheit durchbrechen kannst.
Im Büro
Bürojobs halten die Mehrheit der Amerikaner an Arbeitstagen sitzend an den Schreibtisch gefesselt. In den letzten Jahren sind Stehpulte zu einer beliebten Massnahme geworden – immer mehr Unternehmen freunden sich mit der Idee an, ihre Mitarbeiter dazu zu bringen, mehr zu stehen, sagt Buman, Gastprofessor am College of Health Solutions der Arizona State University. Umfassende Programme, die die Mitarbeiter tatsächlich dazu bringen, sich mehr zu bewegen, sind noch nicht so verbreitet.
Wenn du stehen kannst, achte dabei auf deine Körperhaltung. Unsere Körper tendieren dazu, die bequemste Haltung einnehmen zu wollen. Um sicher zu sein, dass du gerade stehst, frage dich:
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Stehen meine Füsse hüftbreit und flach auf dem Boden?
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Liegt mein Gewicht auf meinen Fersen?
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Befinden sich meine Rippen gerade über meinen Hüften?
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Steht mein Bauch vor, oder nutze ich meine Rumpfmuskulatur, um meinen Rücken zu unterstützen?
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Stehe ich gebeugt?
„Es ist eindeutig belegt, dass der Schreibtisch alleine keine langfristigen Änderungen herbeiführen kann“, sagt Buman. Egal, ob du einen Sitz-Steh-Schreibtisch hast oder nicht, achte darauf, dich im Verlaufe des Tages ausreichend zu bewegen. Wenn du deinen Schreibtisch nicht verlassen kannst, wechsle in die Steh-Tisch-Position und gehe auf der Stelle.
Es gibt einige Tricks, wie du dich zu mehr Bewegung zwingen kannst. Buman schlägt vor, die Toilette oder den Kopierer zu benutzen, die am weitesten vom Schreibtisch entfernt liegen. Und nimm die Treppe. „Der Zusatznutzen für deine Muskeln, wenn du die Treppe rauf und runter nimmst, ist wirklich enorm“, sagt Haskell.
Ziehe einen Aktivitäts-Tracker wie Fitbit in betracht, der dich daran erinnert, 250 Schritte pro Stunde zu machen – was einen Spaziergang von zwei bis drei Minuten bedeutet, sagt Gibbs. Ihre Forschung hat ergeben, dass Büroangestellte, die mit einem Aktivitäts-Tracker ihre Sitzgewohnheit mit Bewegung durchbrachen, ihre Schmerzen im unteren Rückenbereich um 50 % reduzieren konnten.
Bei einem Langstreckenflug
Mit engen Sitzen und geltenden Flugregeln wird es einem erschwert, das lange Sitzen zu unterbrechen. Lasse deine Wadenmuskeln spielen, indem du die Beine ausstreckst und deine Ferse vom Boden hebst, das fördert die Durchblutung, sagt Buman. „Bewege deine unteren Gliedmassen, so gut es geht, und stehe wenn möglich zwischendurch auf, um den Gang rauf und runter zu gehen.“
Bei einer langen Autofahrt
Wenn du täglich mindestens eine Stunde pendelst, versuche, die Zeit zu unterbrechen. Mache unterwegs Erledigungen, die dich aus dem Auto zwingen. Lasse das Drive-in links liegen und gehe ins Café hinein, um dir deinen Latte zu holen. Wenn möglich, so Buman, steige auf öffentliche Verkehrsmittel um, in denen du stehen kannst, statt immer zu sitzen.
Beim Fernsehen
Forscher wissen nicht warum, aber Fernsehen scheint noch schädlicher für die Gesundheit zu sein. „Die Zeit, die du mit dem Fernsehen verbringst, birgt zusätzliche Risiken für deine Gesundheit, die über die reine Sitzzeit hinausgehen“, sagt Buman. Essen beim Fernsehen kann eine Teilschuld tragen, weil es sinnloses Essen fördert, das die Sättigungssignale deines Körpers stören kann, sagt er, lass den Snack also lieber weg. Um das Fernsehen zu geniessen, kannst du die Werbepausen als willkommenes Signal zum Aufstehen und Bewegen nehmen. „Man kann auch fernsehen, ohne zu sitzen“, sagt Buman. Einige Ideen: Bügeln und den Abwasch kann man wunderbar beim Fernsehen erledigen.
Wo Training in das Steh-Sitz-Gleichgewicht passt
Für den grösstmöglichen Nutzen für deine Gesundheit musst du nicht nur die langen Sitzzeiten unterbrechen, sondern auch einen allgemein passiven Lebensstil mit Bewegung anreichern, sagt Haskell.
Trotz gegenteiliger Studien zeigen die jüngsten Daten, die für die 2018 Physical Activity Guidelines betrachtet wurden, dass Bewegung tatsächlich eine wichtige Rolle bei der Minderung der Risiken spielt, die ein Übermass an Sitzen mit sich bringt. „Sie werden nicht beseitigt, aber das Risiko, in den nächsten 10 Jahren zu sterben, ist bei Menschen, die häufiger zügige Spaziergänge machen, wesentlich geringer, auch wenn sie sonst viel sitzen“, sagt Haskell.
Er sagt, dass die Daten belegen, dass ein 30-minütiger zügiger Spaziergang an sechs Tagen die Woche dem erhöhten Risiko durch langes Sitzen erheblich entgegenwirkt. Er empfiehlt ein Gehtempo von 5,5 km/h für Menschen zwischen 40 und 60, für jüngere 6,5 km/h und für ältere 5 km/h oder weniger.
Je mehr du dich moderat bis energisch bewegst, desto grösser ist die Reduzierung der Gesamtmortalität im Vergleich zum langen Sitzen, sagt Haskell. Eine Metaanalyse von über einer Million Erwachsenen, die sitzend angetroffen wurden, wurde nicht mit einer signifikanten Mortalität assoziiert, im Vergleich zu denen, die angaben, sich täglich 60 bis 75 Minuten moderat zu bewegen.
Ohne zusätzliches Training reicht es nicht aus, aufzustehen oder das Sitzen zu unterbrechen, um die Gewichtsabnahme zu unterstützen. „Aufstehen verbrennt nicht viele zusätzliche Kalorien pro Stunde“, sagt Gibbs. „Das ist kurzfristig gesehen keine Lösung, um viel abzunehmen. Aber ich denke schon, dass ein Steh-Pult und Bewegungspausen uns helfen können, täglich 100 bis 200 Kalorien zusätzlich zu verbrennen. Und wir wissen, dass es langfristig gesehen beim Abnehmen und bei der Vermeidung von erneuter Gewichtszunahme hilft.“ Und, zu guter Letzt, auch der Gesundheit.