Machen Bildschirme traurig?

Bildschirme können deine Stimmung beeinträchtigen. Das solltest du wissen, damit du dich nicht herunterziehen lässt.
Veröffentlicht 31. Oktober 2018

Das Letzte, was irgendjemand von uns braucht, sind Störungen im Alltag, die es uns erschweren, unsere positive Einstellung zu behalten, während wir gerade versuchen, Gewicht zu verlieren oder andere gesunde Veränderungen einzuführen. Und hier kommt unsere Bildschirmnutzung ins Spiel.

Für die meisten von uns ist es ein normal, täglich Zeit mit Smartphones, Tablets und anderen elektronischen Geräten zu verbringen. Was jedoch nicht so normal ist: Eine zu intensive Bildschirmnutzung beeinträchtigt möglicherweise unser emotionales Wohlbefinden und kann mit verstärkter Unruhe und Niedergeschlagenheit einhergehen, sagt Dr. Brian Primack, Leiter des Center for Research on Media, Technology, and Health an der University of Pittsburgh. Und die Wissenschaftler haben Gründe dafür gefunden.

 

Der Aufenthalt in sozialen Medien

Die Nutzung sozialer Medien scheint dabei der Hauptschuldige zu sein, und zwar hauptsächlich deswegen, weil sie unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit verzerrt, erklärt Dr. Primack, der sich in seiner Forschung auf junge Erwachsene, speziell im Alter zwischen 19 und 32, konzentriert: „Diese Nutzer machen sich nicht bewusst, wie stark die Dinge bearbeitet werden und wie sorgfältig die Leute vorgehen, um ausschliesslich die positivsten Dinge aus ihrem Alltag zu zeigen“, sagt Primack: „Im Vergleich dazu kann sich der Rest von uns dann gewissermassen unzulänglich fühlen. Das bedeutet, dass sich ein Zusammenhang herstellen lässt zwischen mehr Zeit, die in dieser Umgebung verbracht wird, und mehr Problemen mit Depressionen oder dem Selbstwertgefühl.

Sowohl die Gesamtdauer der Zeit, die in sozialen Medien verbracht wird, als auch die Frequenz – d. h., wie oft du deine Accounts besuchst – werden dabei mit einer Erhöhung von Depressionen und Ängsten in Verbindung gebracht. Ein weiteres Problem: Je mehr soziale Medienplattformen genutzt werden (zum Beispiel Facebook, Twitter, Instagram, Snapchat, Reddit usw.), desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit von Depressionen, Ängsten und anderen negativen emotionalen Befunden.

„Wenn jemand beispielsweise zwei Stunden am Tag soziale Medien nutzt, sich dies jedoch alles auf einer oder zwei Plattformen abspielt, so hat dieser Nutzer ein wesentlich geringeres Risiko eines Auftretens von Depressionen als jemand, der genau die gleichen zwei Stunden am Tag soziale Medien nutzt, diese Zeit jedoch auf neun verschiedene Plattformen aufteilt“, erklärt Dr. Primack: „Das ist fast so, als ob Sie in der Schule sind und versuchen, mit neun verschiedenen Gruppen befreundet zu sein. Wenn Sie sich dagegen auf nur wenige Gruppen konzentrieren, können Sie eher eine Atmosphäre vorfinden, die mehr Unterstützung bietet.“

Stichwort Unterstützung: Ein weiteres Ergebnis von Dr. Primack lautet, dass Menschen, die mehr soziale Medien nutzen, sich sozial isolierter fühlen: „Wenn Menschen sozial isoliert sind, leiden sie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit unter Depressionen und unternehmen auch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit nichts gegen ihre Gewichtsprobleme oder Ähnliches“, sagt Dr. Primack, der auch als Professor für Medizin, Kinderheilkunde und klinische und translationale Wissenschaft an der School of Medicine der University of Pittsburgh lehrt: „Viel Zeit online zu verbringen kann uns davon abhalten, wertvollere, persönliche Beziehungen zu pflegen, die mehr Unterstützung geben.“ 

 

Schlafstörungen

Ob Smartphone, Tablet, Computer oder Fernseher: Die Nutzung elektronischer Geräte spät am Abend kann zu Depressionen beitragen, sagt Dr. James Phelps, Psychiater bei den Samaritan Health Services in Corvallis im US-Bundesstaat Oregon und Gründer der Seite PsychEducation.org. Alle Bildschirme strahlen blaues Licht aus, das in unseren natürlichen Biorhythmus eingreift und unseren Schlaf stört.

„Das Herumspielen an elektronischen Geräten spätabends beeinträchtigt den Schlafzyklus“, erklärt Dr. Phelps. Bei manchen Menschen beeinträchtigt die Schlafstörung dann wiederum die Stimmung und verursacht oder verschärft potenziell Angststörungen und Depressionen.

Damit Bildschirme dir nicht deinen Schlaf rauben, gönne dir eine Pause, bevor du ins Bett gehst: „Der Plan sollte sein, sich mindestens zwei Stunden, bevor man versucht einzuschlafen, wesentlich stärker der natürlichen Dunkelheit anzunähern“, so Dr. Phelps.

Besondere Aufmerksamkeit sollte der Zeit am Bildschirm im Zusammenhang mit einer bipolaren Störung zukommen. „Wenn Menschen, die unter einer bipolaren Störung leiden, nicht genug Schlaf bekommen, sind sie anfälliger für affektive Episoden“, erklärt Phelps, ein Experte für die bipolare Erkrankung: „Die Erkrankten beginnen, zwischen manischen und depressiven Phasen hin- und herzuwechseln. Der Effekt ist so stark, dass es allein schon eine eindeutig nachgewiesene effektive Behandlung der bipolaren Störung darstellt, den Erkrankten beizubringen, regelmässige Schlafzeiten einzuhalten.“

Wenn du unbedingt kurz vor der Bettzeit Bildschirme benutzen musst, empfiehlt Dr. Phelps spezielle bernsteinfarbene Brillen. Diese Brillen blockieren das blaue Licht, das die Produktion von Melatonin verringert, ein von unserem Körper produziertes Hormon, das in Zusammenhang mit der Ein- und Durchschlaffähigkeit gebracht wird. Leider, so Dr. Phelps, funktionieren die Brillen nur bei etwa 50 % der Anwender. Alle anderen sollten versuchen, das blaue Licht direkt auf ihren Geräten mithilfe von Apps wie Night Filter oder Software wie f.lux oder Twilight zu blockieren.

„Wenn Sie zu den Menschen gehören, die feststellen, dass Veränderungen an ihrem Schlaf auch ihre Stimmungen verändern können, so gibt Ihnen dies eine Möglichkeit, Ihren Schlaf zu beeinflussen, ohne dass man Ihnen Ihre elektronischen Geräte ganz wegnimmt – was eigentlich die weiseste Lösung von allen wäre“, sagt Dr. Phelps.

Wenn du dir Sorgen über Stimmungsschwankungen machst, kann eine Bildschirmdiät eine Möglichkeit darstellen, Niedergeschlagenheit in den Griff zu bekommen.